Eine neue Generation Sachsen: Aufbruch durch Bildung

Wir Liberale möchten ein Bildungssystem, das allen Menschen in Sachsen und Deutschland die bestmögliche Entfaltung ihrer individuellen Fähigkeiten ermöglicht und damit die Grundlage zur Nutzung ihrer Chancen bildet. Dies bedeutet, dass für uns die konsequente und effiziente Förderung der Leistung des Einzelnen im Mittelpunkt steht.

Weiterhin muss das in der Schule vermittelte Skillset eine Balance zwischen wissenschaftlichem und kulturellem Grundlagenwissen sowie auch darauf bezogenen praktischen Fähigkeiten schaffen, die eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben fördern. In diesem Sinne sehen wir uns in der Tradition des humboldtschen Bildungsideals, in der Schule eine allgemeingültige humanistische, nicht zu konkret berufsbezogene Bildung zu vermitteln, sodass man die “Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen” stets erhält.

Des Weiteren sind wir der Auffassung, dass Änderungen am bestehenden Bildungssystem nur mit der nötigen Vorsicht im Detail zu schaffen sind, sodass Bildungsbiographien aktueller Schülerinnen und Schüler nicht gestört werden sowie die Anpassung an Änderungen durch Lehrkräfte flüssig geschehen kann. 

Deswegen stellen wir im Folgenden einige konkrete Verbesserungen vor, die aus unserer Sicht für die Zukunft des sächsischen Schulsystems unerlässlich sind.

Mehr Verantwortung den Schulen

Wir denken, dass Organisationen dann am besten funktionieren, wenn Strukturen schlank gehalten und Verantwortung auf der niedrigsten möglichen Ebene geführt wird, insbesondere finanziell – aber auch bei der Beschaffung und konkreten Handlungsvorschriften wäre eine tatsächliche Freiheit von den Regelungen des Freistaates und eine Personalhoheit auf Schulebene sinnvoll.

Wir fordern daher, dass ein echtes Budgetrecht auf Ebene der Schulen eingerichtet wird, das über das des Schulleiters hinausgeht.

Bestenfalls soll dies dadurch realisiert werden, dass staatliche Schulen in geeignete privatrechtliche Rechtsformen überführt werden (z.B. gGmbH). Das SächsSchulG ist dementsprechend anzupassen, um dies bei einer öffentlichen Schule zu ermöglichen. Lehrpläne sollen an diesen staatlichen Schulen in privater Rechtsform weiter gelten.

Neu beschäftigtes Personal wie auch Lehrerinnen und Lehrer sind an diesen Schulen direkt zu beschäftigen und nach Tarifbedingungen zu bezahlen. Alternativ können Bestandslehrkräfte auf dem Weg der Arbeitnehmerüberlassung vom Freistaat diesen Schulen überlassen werden.

Materialbeschaffungen sollen an solchen Schulen zu Konditionen des freien Markts passieren; Förderprogramme für bestimmte Gegenstände (z.B. Digitalinfrastruktur und Geräte) sollen in diesem Fall als Geldleistung ausgelegt werden. Dies dürfte Beschaffungsprozesse signifikant beschleunigen.

Ziel soll sein, bis 2035 auf diese Weise alle staatlichen Schulen umfirmiert zu haben.

Der Freistaat Sachsen wird aufgefordert, einen entsprechenden Muster-Gesellschaftsvertrag für eine gGmbH zu entwickeln, der mit seinen Organen (Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Beirat) die schulinterne Demokratie korrekt abbildet.

Bestenfalls soll die organisatorische Freiheit der einzelnen Schulen in Art. 103 der Landesverfassung überführt werden, analog zur Hochschulfreiheit.

Freie Schulen gleichberechtigen – auch beim Personal

Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern an Schulen in freier Trägerschaft ist nicht weniger wert. Aktuell bekommen diese Schulen für Personalausgaben nur den Faktor 0,9 mal den Wert, der an einer Regelschule zugrunde liegt.

Wir fordern daher die Streichung des Faktors 0,9 in §14 Abs. 3 SächsFrTrSchulG.

Lernen in deinem Tempo – Kurssystem ab der Sekundarstufe I

Schülerinnen und Schüler verfügen über unterschiedliche individuelle Begabungen und familiäre Vorprägungen. Insofern ist es unpraktisch, von einer Klasse zu erwarten, homogen in jedem Fach die gleichen Leistungsanforderungen an jeden Schüler und jede Schülerin zu stellen. Vielmehr braucht individuelle Förderung auch einen nach Möglichkeit individuellen Leistungsanspruch. Nur so kann das Potential des Einzelnen in der gesamten Jahrgangsstufe geeignet abgebildet und gehoben werden.

Wir fordern daher die Einführung eines Kurssystems ab der Sekundarstufe I, sodass an mehrzügigen Schulen jedes Fach auf mehreren unterschiedlichen Leistungsniveaus unterrichtet wird, bei gleicher Stundenzahl.

Dies soll einhergehen mit einer konsequenten Leistungssortierung je Fach. Anhand jährlicher oder zweijährlicher Einstufungsklausuren sowie der Einschätzung der Lehrkräfte soll der geeignete Wechsel zwischen den Leistungsniveaus jeweils zum Schuljahr empfohlen oder durch die Schule ermöglicht werden.

Dieses Prinzip soll u.a. im Grundlagenteil der Lehrpläne verankert werden.

Ferner betrachten wir fachweise Leistungssortierung nicht als Inklusionshindernis. Im Gegenteil kann sie betroffenen Schülerinnen und Schülern ermöglichen, ihre konkreten Begabungen besser auszubilden, während sie in anderen Bereichen nicht überfordert werden.

Teilung des Faches Deutsch

Das Fach Deutsch an allgemeinbildenden Schulen hat aktuell eine zweigeteilte Aufgabe: “Im Zentrum des Deutschunterrichts stehen die deutsche Sprache und Literatur.” (Lehrplan Deutsch Gymnasium Sachsen, 2022, S. 13). Entsprechend steht es im Spannungsfeld einerseits der nachhaltigen Entwicklung von Fähigkeiten zur Anwendung und Produktion der Muttersprache im realen Leben – mündlich wie schriftlich -, und andererseits der Beschäftigung mit Literaturgeschichte und Methoden zum Umgang mit literarischen Texten. Leider steht die Wertigkeit dieser beiden Ziele aktuell in einem sehr starken Missverhältnis. 

Beispielhaft werden am Gymnasium Jahrgangsstufe 11 und 12 Grundkurs für jene Lernbereiche, die sich direkt auf Rezeption von Literatur beziehen, 147 Unterrichtsstunden eingeplant, wohingegen für die praktischen Lernbereiche (Gestaltung von Reden, Materialgestütztes Schreiben, Sprache und Kommunikation) lediglich 45 Unterrichtsstunden übrig bleiben.

In den Klassenstufen der Sekundarstufe I ist dieses Missverhältnis minimal geringer (z.B. Klassenstufe 8: Sprechen und Zuhören: 10 Ustd, Schreiben: 30 Ustd., Lesen und Verstehen: 44 Ustd., Sprache thematisieren: 20 Ustd.) – jedoch sind auch hier die Lernbereiche so auslegbar, dass signifikant große Teile der Lernbereiche Schreiben sowie Lesen und Verstehen praktisch aus Literaturunterricht bestehen können. Tatsächlich im Abitur abgeprüft werden in der Regel größtenteils Aufgaben mit den Operatoren “interpretiere” oder “erörtere” mit entsprechendem Literaturbezug.

Daher hat der aktuelle Deutschunterricht die ausgesprochene Schwäche, strukturell zwei völlig unterschiedliche Ziele vereinen zu wollen, und dabei den Bereich mündlicher und schriftlicher Sprachproduktion chronisch zu vernachlässigen.

Wir fordern daher die Aufteilung des Fachs Deutsch in das Fach Sprach- und Medienpraxis sowie das Fach Deutsche und Europäische Literatur. Diese sind mit gleichen Stundenvolumina zu versehen.

Fokus des Fachs Sprach- und Medienpraxis soll hierbei die Produktion von Sprache als Ausdrucksmittel sein. Ziel ist die Vermittlung von und nachhaltiges Training in anwendbaren Fähigkeiten im mündlichen und schriftlichen Bereich, sowohl alltagspraktisch als auch künstlerisch. Hierbei soll besonderer Wert darauf gelegt werden, emotionale Wirkung beim Leser, Hörer oder Zuschauer zu verstehen und bewusst erzeugen zu können.

Insbesondere sollen Schwerpunkte sein:

Mündlich: Rhetorik, freie und textgebundene Rede, politisches Debattieren, Präsentationstechniken, Sprech- und Stimmtechnik, Schauspiel in Film und Theater

Schriftlich: Recherche und Produktion praktischer Texte im journalistischen, werblichen, geschäftlichen und wissenschaftlichen Bereich, praktische Beherrschung künstlerischer Stilmittel zur Auseinandersetzung mit eigenen Gedanken und Produktion künstlerischer Texte in Lyrik, Prosa, Dramatik.

Übergreifend: Verbindung von Sprache mit anderen Medien und Kunstformen – Musik, Theater, Bild, Film, Grafik

Fokus des Fachs Deutsche und Europäische Literatur soll wie gehabt die Vermittlung eines Überblicks über die Entwicklung der deutschsprachigen Literatur, in Einbettung in den europäischen kulturgeschichtlichen Kontext, sowie die Vermittlung analytischer Methoden zur Auseinandersetzung mit konkreten Werken sein.

Konkret würde diese Aufteilung die vergleichbare Wertigkeit der beiden Fächer betonen, den Praxisanteil etwa verdoppeln, und gewährleisten, dass Schülerinnen und Schüler regelmäßigen Unterricht in den praktischen Aspekten erfahren – dieser Regelmäßigkeit bedarf es.

Förderung vorschulischer Bildung

Bildung beginnt nicht erst in der Schule. Die ersten 6 Lebensjahre sind besonders lernintensiv; besonders für Kinder mit weniger förderndem Elternhaus oder Migrationshintergrund – entsprechend ist hier auch der Bedarf nach ausreichend viel gut ausgebildeter Betreuung hoch. Leider ist gem. Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung Sachsen hier zwar gut ausgebildet, aber die Personalschlüssel sind mit bei Kindergärten 1:11,4 (Bundesschnitt: 1:8,4, Empfehlung: 1:7,5) und Krippen 1:5,3 (Bundesschnitt: 1:3,9, Empfehlung: 1:3) nach Mecklenburg-Vorpommern am zweitschlechtesten aufgestellt.

Wir fordern daher, die Ausbildung der ca. 20800 nötigen zusätzlichen Fachkräfte über die nächsten Jahre zu forcieren.

Lehrerbildung reformieren – duales Studium für Grundschullehrende

Der Lehrerberuf ist, gerade in jungen Klassenstufen, sehr geprägt vom Erlernen des menschlichen Umgangs mit den Kindern. Entsprechend sollten Studierende eigentlich relativ früh den realen Bedingungen des Berufs exponiert werden, sodass sie einerseits den praktischen Umgang lernen, andererseits ihre eigene Eignung für das Berufsbild besser abschätzen können.

Wir sprechen uns daher dafür aus, das Grundschullehramt generell als duales Studium auszulegen.

Attraktivität des Lehrerberufs gewährleisten – Arbeitsbedingungen verbessern

Der Lehrerberuf muss für junge Lehrkräfte zu Zeiten des Fachkräftemangels so attraktiv wie möglich gehalten werden; weiterhin muss die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet bleiben. Daher ist die Flexibilität, den Lehrerberuf in Teilzeit ausüben zu können, ein hohes Gut.

Die seit Kurzem geplante Praxis des SMK, Teilzeit bei Lehrkräften nur noch in Ausnahmefällen zu genehmigen, ist insofern ein Schlag ins Gesicht von Menschen, die sich aus Idealismus für den Lehrendenberuf entschieden haben. Das SMK als größter Arbeitgeber dieses Berufs in Sachsen missbraucht aus unserer Sicht hiermit seine Marktmacht.

Wir fordern daher, dass die Begrenzung der Teilzeit ab sofort wieder entfällt.

Mehr Ausgleich im Inhalt – für eine ganzheitliche Bildung

Wir sind der festen Überzeugung, dass die Fächer Sport, Musik und Kunst einen sehr wichtigen Beitrag zur emotionalen Gesundheit und physischen Fitness von Schülerinnen und Schülern darstellen. Die Ausbildung physischer, visueller und auditiver Fähigkeiten gehört aus unserer Sicht zu einem gesamtheitlich gebildeten Menschen und ist daher ein unverzichtbarer Teil des Bildungsauftrags der Schule. Dass alle Schüler mindestens pro Woche abwechselnd eine Doppelstunde Musik oder Kunst und eine Doppelstunde Sport bekommen, muss langfristig garantiert bleiben.

Wir setzen uns des Weiteren für lokale Kooperationen von Schulen mit Sportvereinen ein. Es soll ermöglicht werden, Schulsportstunden direkt an der Schule teilweise mit Vereinssportstunden zu ersetzen bzw. externe Trainerinnen und Trainer zu verwenden, solange dabei qualitative Standards des Trainings eingehalten werden.

Weiterhin unterstützen wir, kognitive Sportarten wie E-Sports oder Schach als GTA anzubieten.

Prüfungen auch in einer lingua franca ermöglichen

Bildung ist im Grundsatz nicht an die deutsche Sprache gebunden, und die gängige Wissenschaftssprache unserer Zeit ist im Regelfall Englisch. Dies würde es ggf. auch für Schülerinnen und Schüler mit einem sehr kurz zurückliegenden Migrationshintergrund erleichtern, diese Prüfungen auf einem inhaltlichen Niveau zu bestehen.

Wir setzen uns daher dafür ein, Abitur- und andere Abschlussprüfungen, solange sie nicht das Fach Deutsch betreffen, auch in einer anderen als der deutschen Sprache anzubieten, z.B. Englisch.

Beschlossen auf dem Kreiskongress der Jungliberalen Aktion Dresden am 12.08.2023.