Innere Sklaven

Ein Gastbeitrag von Victor Gabriel Márki. Zuerst erschienen in „kreuz&quer“ 1/2014

500px-Speaker_Icon.svgSkandal über Skandal. Es vergeht gefühlt kaum ein Tag, ohne dass nicht eine neue sensationelle Affäre aufgeklärt würde. Von Lappalien wie der Causa Wulff oder Guttenbergs Doktortitel, über die Steuerhinterziehung  eines Uli Hoeneß, bis hin zu ernsthaftem politischen Sprengstoff für unsere Gesellschaft wie zum Beispiel dem NSA-Skandal. Womit wir auch schon beim Thema wären.

Na, wie war das nochmal? Erinnert sich noch jemand daran? Da war mal was mit Edward Snowden und bösen Amerikanern. Details über die Abhörpraxis von Geheimdiensten wie der amerikanischen NSA oder des britischen GHCQ, wurden von dem Whistleblower Snowden enthüllt. Natürlich: Medien fabulierten mit Aufmachern wie „Totalüberwachung der Amerikaner“ oder „Rasterfahndung“. Bei Spiegel Online herrschten Wochen voller „Empörung“. Jakob Augstein nannte Prism in seinem gewohnt blasphemischen Ton „das totalste Kontrollsystem, das je von Menschen erfunden wurde“. Politiker waren empört oder reisten wie der ehemalige Bundesinnenminister Friedrich nach Washington D.C. und „stellten die Amerikaner zur Rede“.

Und was ist mit den Deutschen, die jetzt nicht unbedingt Politiker oder Journalisten sind, sich im Klartext also als normal betrachten?  In dem Fall ist gerade viel interessanter was eben nicht passiert. Es gibt keine nennenswerten Demonstrationen und keine großangelegte gesellschaftliche Debatte. Kurzum: Es fehlt einfach die Empörung, die von uns erwartet wird.

Falsche Doktortitel und ein verrückter Bischof

Woran kann das liegen? Zum einen an der anfangs erwähnten Überfütterung unserer Gesellschaft mit Dingen, über die man sich aufregen soll. Falsch geführte Doktortitel, ein verrückter Bischof, der sich ein dekadentes Anwesen in Limburg baut oder ein Abgeordneter, der pornografische Bilder von Kindern kauft. Doch auch die Aufregung kennt ihre Grenzen und irgendwann ist man es leid, sich über alles aufzuregen und es kommt zu einer Aufregungsmüdigkeit.

Auf der anderen Seite kann die fehlende wahre Aufregung auch daher rühren, dass die Deutschen in ihrem tiefsten Innern nichts gegen die zu hinterfragenden Vorgänge von BND und NSA haben oder zu haben scheinen. So gab es durch die Zusammenarbeit der Geheimdienste zahlreiche Erfolge, wie die Aufdeckung terroristischer Zellen. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, das Sommerloch vor dem Bundestagswahlkampf wurde durch dieses Thema recht gut gefüllt.

Sicherheit ist kein Selbstzweck

Die einzige Politikerin, der man ihre Aufregung abkaufte, war die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich immer massiv für die Bürgerrechte eingesetzt hat und dafür beim  Großen Lauschangriff 1995 sogar mal ihren Ministerposten opferte. Sie legte sich sogar mit Barack Obama an, indem sie seine Stellungnahme zum NSA-Skandal kritisierte. Der amerikanische Präsident rechtfertigte nämlich das Handeln der Spionagedienste mit dem Satz: „Man kann nicht 100 Prozent Sicherheit und 100 Prozent Privatsphäre und null Unannehmlichkeiten haben“. Sie entgegnete: „Ich teile diese Einschätzung nicht. Eine Gesellschaft ist umso unfreier, je intensiver ihre Bürger überwacht, kontrolliert und beobachtet werden. Sicherheit ist im demokratischen Rechtsstaat kein Selbstzweck, sondern dient der Sicherung von Freiheit.“

Damit spricht sie auch das eigentliche Problem des NSA-Skandals an. Die deutsche Bevölkerung wollte nach dem Skandal nur die Wahrung der Ordnung. Ob nun Bürgerrechte eingeschränkt werden oder nicht, spielt dort nur eine untergeordnete Rolle. Das führt jedoch in eine Richtung, die der französische Politikwissenschaftler Alexis de Tocqueville recht gut auf den Punkt bringt:

„Ein Volk, das von seiner Regierung nichts fordert als das Wahren der Ordnung, ist in seinem Innersten bereits Sklave.“

Victor Gabriel Márki ist stellvertretender Landesvorsitzender der Liberalen Schüler Sachsen.

[Wir veröffentlichen an dieser Stelle regelmäßig Gastbeiträge und freuen uns über Einsendungen. Schicke uns Deine liberalen Ideen, und wir geben ihnen eine Plattform. Wir behalten uns die Veröffentlichung allerdings vor. Gastbeiträge  sind Meinungsäußerungen der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der Jungliberalen Aktion Dresden wider]