Zur Debatte über das TTIP-Abkommen

Ein Gastbeitrag von Lars Hennig

Das von den Exekutiven der EU und der USA geplante transatlantische Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wird derzeit kontrovers diskutiert. Aufgrund der häufig simplifizierenden und einseitig negativen Darstellung möchte dieser Beitrag zunächst die Vorteile des Abkommens erläutern, um anschließend auf die Kritikpunkte einzugehen.

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Kommen jetzt Chlorhühnchen und Hormonsteaks?

Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse dienen dem Schutz von Unternehmen vor Konkurrenz. Um von der Politik ein solches Privileg zu erhalten, ist Lobbyarbeit notwendig, weshalb durch Handelshemmnisse meist große Unternehmen profitieren. Die Einführung eines Handelshemmnisses (ein tarifäres ist ein Zoll, es gibt gleich wirkende nichttarifäre Hindernisse) gibt einem „geschützten“ Unternehmen die Möglichkeit den Produktpreis in dem Umfang zu erhöhen, in dem es durch den Zoll von Konkurrenz befreit wird.

Umverteilung vom Verbraucher zum privilegierten Unternehmen

Es findet also eine Umverteilung vom Verbraucher zum privilegierten Unternehmen, bzw. meist einer ganzen Branche, statt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU führte dagegen durch die Abschaffung der Handelsbehinderungen zu massiven Preissenkungen für Konsumgüter und einheitlichen Standards in der EU, und das bei durchgängig besserem Verbraucherschutz. Man denke hierbei etwa an den Preisverfall im Telekommunikationsbereich, der ehemals durch die Bundespost verwaltet wurde.

Auch waren deutsche Nudeln in Italien jahrzehntelang verboten, um die dortigen Verbraucher vor „Gesundheitsgefährdungen“ zu schützen. Sowohl theoretische, wie auch empirische Analysen von Freihandelszonen unterstützen diese Argumentation. Es profitieren übrigens gerade kleine Unternehmen von TTIP, da sie sich die hohen bürokratischen und administrativen Hürden, die durch die Behinderung des Handels anfallen, nicht leisten können.

Unterschiedliche Standards haben oft nichts mit unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen zu tun. Beispiel: Steckdosen – durch die unterschiedlichen Standards in den USA und Europa müssen elektronische Geräte für den anderen Markt umgerüstet werden, was entsprechende Kosten verursacht, ohne das eine der beiden Varianten sicherer ist.

Einheitliche Standards als Vorbild für den Rest der Welt

Es ist zu hoffen, dass dies in neuen Branchen, z.B. bei der Elektromobilität verhindert werden kann. Können hier neue einheitliche Standards geschaffen werden, hat dies Vorbildfunktion für den Rest der Welt. Andere Länder könnten diese übernehmen.

Das Europäische Parlament rechnet bei erfolgreichem Abschluss von TTIP mit 163 Milliarden € an BIP-Wachstum bis 2018, die Europäische Kommission weist zudem auf Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze für den in der Wirtschaftskrise steckenden Kontinent hin. All dies nützt insbesondere einem auf Export ausgerichteten Land wie Deutschland. Man erhofft sich darüber hinaus eine bessere Anerkennung von Qualifikationen und einen einfacheren und effizienteren Austausch von Arbeitskräften. Die Chancengleichheit für Unternehmen auf beiden Märkten soll durch eine faire und gleiche Behandlung von Privatpersonen ergänzt werden. Auch die Transparenz im Regierungshandeln soll erhöht werden.

Kritik am Abkommen und Stellungnahme

Die Verhandlungen sind geheim und undemokratisch

Es werden laufend wichtige Dokumente ans Europäische Parlament übergeben und es wurden bereits 80 Anfragen beantwortet. Noch befinden wir uns in der reinen Verhandlungsphase. Ist der Vorschlag erarbeitet, wird er komplett der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Danach müssen die Mitgliedstaaten (und damit Bundestag und Bundesrat) und das Europäische Parlament zustimmen. Es handelt sich also um einen typischen Gesetzgebungsprozess. Die Ausstattung mit Informationen allerdings, z.B. über das eigens eingerichtete Portal der EU-Kommission stellt sich mir als deutlich vielfältiger und fundierter da, als bei anderen Gesetzen, etwa jenes zur Rente mit 63.

Investorenschutz bedroht die Demokratie

Derzeit sind etwa 1400 Investitionsschutzabkommen von EU-Mitgliedsstaaten gültig. Deutschland hat 130 solcher Abkommen abgeschlossen, das erste 1959 mit Pakistan. Das System des Investitionsschutzes ist also nicht neu. Es regelt vor allem den Schutz vor Diskriminierung, sowie das Recht auf einen fairen Prozess. Man gibt natürlichen Personen damit eine Möglichkeit bestehendes Recht geltend zu machen. Dies stärkt meiner Ansicht nach den Rechtsstaat, anstatt ihn auszuhöhlen.

Beispiel Polen: Das Land hatte bereits ein Investitionsschutzabkommen mit den USA unterzeichnet, als es der EU beitrat. In diesem Zuge musste es die eigenen Standards deutlich anheben, um auf EU-Niveau zu kommen (v.a. Umwelt-, Gesundheits- und Sozialbereich). Kein Investor hat dies in Frage gestellt, es gab keine Klagen. Kein je geschlossener Investitionsvertrag enthält ein Recht auf Entschädigung bei Gewinneinbußen. Wäre dies der Fall, müsste die Bundesrepublik Deutschland, aufgrund der Vielzahl von abgeschlossenen Abkommen, offensichtlich größere Teile des Haushalts Zahlungen an Investoren widmen. Dies ist, für jeden im Haushalt einsehbar, nicht der Fall.

Internationale Schiedsgerichte werden verwendet, da sich Unternehmen vor nationalen Gerichten meist nicht auf völkerrechtliche Verträge berufen können. Im Rahmen des TTIP ist vorgesehen, dass der Investor die Kosten einer Klage übernehmen muss.

Die Standards bei Lebensmitteln sinken

Die Zulassung von Nahrungsmitteln erfolgt über die EFSA (European Food Safety Authority) und wird von den Mitgliedsstaaten angenommen oder abgelehnt. Daran ändert das Freihandelsabkommen nichts. Die EU-Standards stehen nicht zur Disposition. Hierfür wären Gesetzesänderungen notwendig, die vom Europäischen Parlament gesondert (also unabhängig von TTIP) beschlossen werden müssten.

Gerade die Lebensmitteldebatte wird in Deutschland zunehmend ideologisiert. EU-Standards sind keineswegs, wie oft behauptet, immer strenger als Amerikanische. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind fast 20% des in Deutschland produzierten Geflügelfleischs salmonelleninfiziert, im Handel noch 6,3%, was immer wieder zu Vergiftungen führt, wenn das Fleisch vom Verbraucher nicht völlig durchgebraten wurde. Demgegenüber spielt die Chloraufnahme durch das Geflügelfleisch angesichts der wesentlich höheren ständigen Chloraufnahme durch unser gechlortes Trinkwasser überhaupt keine Rolle, weshalb sich sowohl WHO als auch EFSA und die deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR für die amerikanische Form des Verbraucherschutzes aussprechen. Es wird jedoch weiterhin versucht, aus einer verunsicherten Bevölkerung Kapital zu schlagen. Rebecca Harms (Vorsitzende der Grünen im EP): „Ich will keine Chlorhühnchen […] auf meinem Teller. Deshalb bin ich gegen TTIP”

Öffentliche Güter stehen zur Disposition

Der Vorwurf öffentliche Güter würden durch TTIP der Profiterwirtschaftung großer Konzerne preisgegeben entbehrt jeder Grundlage. Der besondere Status öffentlicher Daseinsfürsorge ist in den EU-Verträgen fest verankert. Privatisierungen sind Kompetenz der nationalen Regierungen.

TTIP höhlt die hohen Arbeitsschutzstandards der EU aus

Das Verhandlungsmandat der EU untersagt ausdrücklich, Sozial- und Arbeitsstandards zur Disposition zu stellen. Auch hier ist die Kritik unbegründet.

Während sich neben der FDP nur die Union (wenn auch teilweise zögernd) zu dem Abkommen bekennt, lehnen Grüne und Linke es strikt ab. Trotz Uneinigkeit in der SPD, sei hier auf eine Aussage von Sigmar Gabriel hingewiesen, der vorgeschlagen hat, auf Basis von Inhalten zu diskutieren, statt auf Basis von vermuteten Inhalten. Gerade die wenig fundierte Kritik mit der sich oben auseinandergesetzt wurde spricht für dieses Vorgehen. Dabei bedienen sich Gegner des Abkommens zu häufig Populismus und der Bedienung von Ressentiments. Teilweise werden Ängste in der Bevölkerung geschürt, um aus diesen politisches Kapital zu schlagen. Die großen Vorteile des Abkommens werden ignoriert. Wer dies tut, unterbindet die Schaffung von Arbeitsplätzen, verhindert einheitliche Standards, subventioniert Großkonzerne und verursacht jedem Einzelnen unnötige Kosten.

Es bleibt zu erwähnen, dass Deutschland derzeit Freihandelsabkommen mit Kanada und Indien verhandelt, ohne auf Widerstand in der Bevölkerung zu stoßen.

Lars Hennig ist Student an der TU Dresden und aktives Mitglied der JuliA Dresden.

[Wir veröffentlichen an dieser Stelle regelmäßig Gastbeiträge und freuen uns über Einsendungen. Schicke uns Deine liberalen Ideen, und wir geben ihnen eine Plattform. Wir behalten uns die Veröffentlichung allerdings vor. Gastbeiträge  sind Meinungsäußerungen der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der Jungliberalen Aktion Dresden wider]